Liebe Gabi,
das ist mir zu einseitig.
Historisch betrachtet kommen wir aus einem Matriarchat, dann gab es die Gegenbewegung mit der kompletten Niederdrückung der Frau, seit den Trümmerfrauen und seit sich das deutsche Scheidungsrecht 1973 geändert hat, gibt es abermals eine Gegenbewegung, die Frauen stärkt. Wobei der jährliche Equal Pay Day deutlich zeigt, dass Frauen fast vier Monate länger auf dem gleichen Posten arbeiten müssen wie Männer, um das zu verdienen, was die Männer in 12 Monaten verdient haben. Es gibt also bis heute keine “Gleichheit”, weshalb Gleichstellungsbeauftragte andere Aufgaben haben und die Genderdiskussion nach wie vor aktuell ist.
Mir ist deine Frage zu einseitig gedacht, zu plakativ, so ist die Welt nicht. Natürlich gibt es Männer, die Erziehungszeiten nehmen und dafür Karriereknicke in Kauf nehmen (was Frauen seit Jahrzehnten klaglos mussten). Natürlich gibt es Weicheiermänner. Warum? Weil sich Frauen sensible Männer gewünscht haben. Jetzt sind manche Männer sensibel erzogen worden, schon bekommen sie wieder eins auf die Mütze.
Jede Generation muss ihr Männer- und Frauenbild definieren, wir haben keine Vorbilder für die momentane Situation. So, wie du die Männer und Frauen beschrieben hast, gilt es nur für einige, nicht für alle. Und genauso wenig gibt es Lösungen für alle. Jedes Paar muss sich heute überlegen, wer in Elternzeit geht, wie Kindererziehung gelingen kann.
Vermutlich ist das
ein Generationenproblem, aber ich hätte die Erziehung meiner Kinder, so lange sie klein waren, keiner Tagesstätte anvertraut, ich hätte sie nicht in einer Kinderkrippe untergebracht und wir zahlen so wie Millionen andere Menschen auch noch viele Jahre an unserem Haus ab. Wir sind halt dafür nicht in Urlaub gefahren, haben vieles nicht machen oder uns leisten können, was andere Leute durchaus gemacht haben. Für uns war es nie eine Frage, dass uns die Kinder wichtiger sind als irgendwelcher Besitz, Statussymbole oder Reisen. Dafür haben wir beide in Kauf genommen, wesentlich weniger Geld zur Verfügung zu haben. Wir haben bis heute immer sehr genau überlegt, was wir ausgeben. Wenn eine Familie alles will – einen guten Job, ein tolles Heim, Urlaubsreisen und so weiter, muss sie einfach für sich entscheiden, wie sie das hinbekommt. Ich würde weder unsere damalige Lebensentscheidung jemandem empfehlen noch irgendeine andere. Das muss jedes Paar, jede Familie für sich herausfinden.
Ich schätze Männer und Frauen aufgrund ihrer Charaktereigenschaften, ihrer Herzensbildung, ihres Humors, ihrer Erfahrung, Weisheit und vielem anderem mehr, nicht aufgrund ihres Geschlechts. Die Frage, ob sie Weicheier sind oder karrieregeil, stellt sich mir nicht, weil ich kein Interesse an Wertungen dieser Art habe. Mir war es sehr egal, was andere Menschen über unsere Art der Lebensführung gedacht haben und sie haben oft sehr laut gedacht, denn ich habe eine sehr gute Karriere aus der Sicht vieler Leute “sausen lassen”. Ich habe entschieden andere Qualitäten ausgebildet in den Jahren mit den Kindern und denke mir, dass ich ein anderer Mensch geworden bin als der, der ich sonst geworden wäre. Letztlich ist das eine “was wäre wenn”-Frage, die ohnehin nicht beantwortbar ist. Leicht war unsere Entscheidung für uns beide als Paar nicht, da gab es heftiges Ringen um das, was passt oder eben nicht.
Es ist schwer, einen guten Weg zu finden, wenn aus einem berufstätigen Paar eine Familie wird. Es ist auch schwer, als Mann und als Frau Verhaltensweisen zu finden, mit denen man sich selbst leiden und auch mit dem Partner leben kann. Das muss – und ich denke, das war schon immer so – jedes Paar neu für sich herausfinden. Man nennt es Leben, Ehe, Partnerschaft. Das bedeutet: Dialog, Kommunikation, auch Auseinandersetzung, Definieren von Werten und ständige Absprache, wie wo was gelöst werden kann. Nur so ist Wachstum in Respekt und Achtsamkeit möglich. Alle machen Fehler, das gehört dazu. Und ob ich als Mann ein Weichei oder als Frau eine “taffe” bin, ist letztlich ein Produkt, das ich aus mir gemacht habe, nicht das, was mich als Menschen auszeichnet.
Vielleicht ist zu bedenken, dass sich das Verhältnis nach den weiblichen Wechseljahren auch verändert – da schlagen dann mehr männliche Hormome durch bei den Frauen und sie haben “mehr die Hosen” an, während die Herren sensibler werden. Eine Klientin hat das neulich schön beschrieben: “20 Jahre hab ich mir gewünscht, dass er auch mal mit mir weint. Jetzt nehm ich mir, was ich will und mich nervt es total, wenn er im Kino neben mir losheult” – mein Gedanke war: Der Arme, wie soll er sich denn eigentlich verhalten? Wenn das das Resultat jahrelanger gegenseitiger Niedermacherei ist, ist das wohl kaum erstrebenswert. Ich lasse lieber den Mann Mann sein und die Frau Frau, denn beide ergänzen sich hervorragend. Und nehmen wir das Individuum auch als solches. Es gibt Weicheier und es gibt Amazonen. Wenns zum Typ passt, ist es okay und wenn es angemessen ist, findet auch dieser Topf seinen passenden Deckel.
Ich denke an zwei Große zurück: Grönemeyer hat etwa zeitgleich mit Ina Deters “Neue Männer braucht das Land” seinen Hit “Männer” rausgebracht. Beide haben es wunderbar auf den Punkt gebracht. Die Frage ist bis heute offen und ich denke, sie bleibt es auch.
Heitere Grüße
Christine
Liebe Christine,
ein junger Vater, der Karriereschritte nicht wahrnimmt, weil er Erziehungszeiten für seine Kinder in Anspruch nimmt, gilt als Weichei.
Eine junge Mutter, die trotz Kindererziehung einen verantwortungsvollen Beruf (auch in Teilzeit) ausübt, gilt als erfolgreich.
Was denkst du, braucht die jetzige Männergeneration eine Emanzipationsbewegung?
Liebe Grüße, Gabi