Liebe Gabi,
altes Wissen, soso. Als ich vor über 30 Jahren anfing, komplett unseren Haushalt auf Bio umzustellen, nach dem Maria Thun Aussaatkalender im Garten zu arbeiten, mich mit Permakultur und Demeter befasst habe, galt ich jahrelang als vollkommen durchgeknallt. Unser Garten wurde als “Saustall” bezeichnet, weil wir stolz auf fette Brennnesseln waren, auf Salbei und Beifuß. Aus Löwenzahnblättern machten wir Salat und die Nachbarn drohten mit Anzeige wegen “Kontamination ihrer Rasenanlagen durch Unkräuter Unbelehrbarer”. Dann kam die Beschäftigung mit dem alten Heilkundewissen, mit Signaturenlehre, mit Kräutern zum Gesunden. Unsere Kinder ernteten Mitleid, wenn sie ein Spitzwegerichblatt auf ein aufgeschürftes Knie legten. Wir waren “die Grünen, die Müslifresser”, deren Kinder kein Antibiotika bekommen und keine Schokolade (es gab sehr wohl Schokolade. Andere eben).
Heute gebe ich in vielen Kursen altes Wissen weiter. Zum Beispiel heuteAbend im Vortrag “Das Feuer der Begeisterung entfachen”, bei dem wir einen Blick auf den Sternenhimmel werfen, der uns in diesen Tagen erstaunliche Erkenntnisse bietet. Manche interessiert das. Andere nicht. Aber wenn dann keiner mehr bei Leiden helfen kann, ist das Jammern groß und so mancher hat ein kleines Kraut dann doch sehr schätzen gelernt und umgedacht. So ist es eben.
Ich freue mich, altes Wissen weitergeben zu können und es gibt viele Menschen, die das umsetzen, weiterarbeiten, ihre eigenen Erfahrungen machen, das ist wunderbar. Aber wie der Ausspruch schon zeigt – es ist Aufgabe der Eltern, ihre Kinder auf das Wunder der Natur aufmerksam zu machen, auf den Umgang mit Mutter Erde, ihnen klarzumachen, dass z.B. alles, was Menschen und Tiere und Pflanzen jemals an Wasser aufgenommen haben und aufnehmen werden, das gleiche Wasser ist, weil es nicht mehr davon auf der Erde gibt. Dass die Luft kostbar ist wie das Wasser. Dass wir das All nicht mit Schrott zumüllen dürfen, Wälder erhalten und die Vielfalt der Arten bewahren sollen.
Aber solange Lieschen Müller keine Ahnung haben will, was Hybridsamen sind, nicht mehr als 6,99 für ein Kilo Rindfleisch zahlen will und es lustig findet, dass in Spanien halbe Küstenstreifen mit Plastikfolie zugedeckt sind, was aus dem All sehr hübsch aussehen mag, um im Januar Tomaten zu essen, wird es auf den Kreis der Menschen ankommen, die erkennen und nach ihren Erkenntnissen handeln. Dann gilt Luther: Und wenn die Welt morgen unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Genau. Und einen Quittenbaum auf jeden Fall noch dazu. Und Bantammais besorgen, den ich im Frühjahr pflanzen kann, damit in meinem direkten Lebensumfeld kein Acker mit Gentechnik bebaut werden darf :-))) Merke: Die Laus macht dem Löwen mehr zu schaffen als der Löwe der Laus. Schwelgen wir in alten Gartenbüchern, kaufen wir alte Apfelsorten, unterstützen wir regionale Initiativen wie Saisongärten etc. und überlegen in unserem eigenen Alltag: was ist mein Beitrag?
Wintermüde? Wie wärs mit Kresse auf dem Butterbrot? Noch ist lange kein Ende in Sicht, aber keine Sorge – es wächst viel Brot in der Winternacht. Die Natur hat ihre eigene Kraft und ihr eigenes Tempo.
Grüße vom Fenster-Sprossengärtner (mangels Gartenmöglichkeit in diesen Wochen, aber wer wirklich will, findet immer Wege)
Christine