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Einander nicht grün sein

Liebe Christine,

aufgrund der Gedankenimpulse von Harporcrates habe ich versucht, die Redewendung “einander nicht grün sein” zu betrachten. Die bekannten Erklärungen dazu sind einfach: Einander nicht geheuer zu sein, einander nicht besonders zu mögen oder zu vertrauen. “Wir sind uns nicht grün.” Ok.

Hm. Grün. Eine Mischung aus den Farben Gelb und Blau ergibt Grün. Aber für was stehen die beiden Farben und wie bekommt man die Mischung genau so hin, dass man sich grün werden kann?

Weiße Grüße, Gabi

 

6 thoughts on “Einander nicht grün sein”

  1. Liebe G.
    leider “antwortet” C. nicht; (leider – zumal Sie den Beitrag an einem für mich ganz besonderen Tag geschrieben haben) – aber ich wollte heute Nacht (ich komme gerade aus der Ostermette in MS) nur kurz mitteilen: Sloterdijk ist uns zuvorgekommen; (https://www.nzz.ch/feuilleton/wir-erleben-ein-grosses-gleiten-ld.1370201) und hat einen Bereich schon thematisiert: “Erst die Mystifikation des Langsamen ergibt das, was wir aus Gründen der kognitiven Bequemlichkeit bis vor kurzem für die ein für alle Mal gegebene Ordnung der Welt hielten.” – das hätte von “uns” sein können … also seien Sie und C. auf der Hut; die Schwestern des Wahnsinns haben (eigentlich) die richtigen “Sensoren”!
    Ich habe noch ein Thema in den tiefen Gewölben, die ich dann und wann durchschreite gefunden, ich bin selbst noch erstarrt, es handelt sich um nichts Geringeres als um die “Hemmung seelischer (Weiter-)Entwicklung des (betroffenen) Menschen durch Traumatisierung. Die mir begegneten Beispiele und Fälle sind aber eine wahre Hölle, die ich hier kaum öffentlich beschreiben kann. Aber die Diagnose ist der Schlüssel zu manch schweren Problemen.
    Nicht mehr nur nach Mitternacht, sondern fast schon zur herannahenden Stunde des nächsten Tages Sonnenaufgang grüßend,
    Ihr Harpocrates

  2. Lieber Harpocrates,
    in den Tiefen verschollen, entdecke ich Ihre Mail und freue mich sehr über Ihr “Leider” :-) Ja, Sloterdijk kommt manchem zuvor. Ich erinnere Sten Nadolnys “Langsamkeit”. Und ich entdecke noch ein Lob – für unsere Sensoren. Sie sind nicht ohne Grund brauchbar. Unser Alltag lehrt uns eine Menge und was Sie beschreiben als Durchschreitungserkenntnis tiefer Gewölbe ist oft genug unser tägliches Brot. Bedenken Sie die alten Mysterien, in denen die Mysten die Erfahrung der tiefsten Tiefe bis hin zum fast physischen Tod erlebten, um dann die Höhen des Geistes und der Erkenntnis zu erklimmen. Das kann man schön an den Externsteinen sehen, die ein Symbol für das Schauen der Sonne um Mitternacht sein können. Oder wir nehmen – wieder einmal – Mozarts Zauberflöte zu Hilfe. Dort schildert Mozart das Drama der Einweihung mit wenigen Zeilen seines Librettisten: “Der, welcher wandert diese Straße voll Beschwerden, wird rein durch Feuer, Wasser, Luft und Erden; wenn er des Todes Schrecken überwinden kann, schwingt er sich von der Erde himmelan. Erleuchtet wird er dann imstande sein, sich den Mysterien der Isis ganz zu weihn.” Papageno bewältigt die einfachen Hürden, er ist lebensfreudiger Mensch, für den die höheren Weihen nicht das Richtige sind, aber Tamino muss hindurch. Papageno wird gezielt gefragt: “Das himmlische Glück der Einweihung ist nicht für dich bestimmt, aber möchtest du etwas anderes?” Und was antwortet der Schelm? “Ja, ich möchte gern ein Gläschen Wein.” Übrigens – die Schwelle, die Taomino überschreitet auf dem Weg zur Einweihung (das von Cherubim bewachte Paradies), als er den beiden Geharnischten gegenübersteht, unterlegt Mozart nicht mit eigener Erfindung, sondern mit einem alten Choral “Ach Gott, vom Himmel sieh darein” – er hat erkannt, dass jetzt eine Welt betreten wird, in der die geistigen Gesetze gelten. Insofern wünsche ich Ihnen bei der mutigen Durchschreitung der tiefsten Tiefen, sich immer daran zu erinnern, dass der Gegenpol die höchste Höhe ist und dass der Aufstieg eine immense Freiheit birgt. Deshalb passt Ihre Schreibzeit auch gut – möge die Sonne um Mitternacht Sie auf einen sicheren, freudigen Weg zu sich selbst bringen.

  3. Liebe C.
    Sie haben da mit Ihrer Antwort einen großen Köder ausgeworfen, oder vielleicht auch ein Netz. Sie zitieren die Darstellung eines Weges, den ich nicht nur aus passiver Lektüre kenne, sondern aus eigener Erfahrung und Anschauung. Ihre (vermutlich bestehende) Annahme trifft zu – und an dieser Stelle bedaure ich sehr, dass wir aufgrund der “Regularien” uns nicht persönlich zu Hochmittag treffen und zu Hochmitternacht verabschieden können.
    Ihr Harpocrates (im geheimen Zeichen grüßend)

  4. Lieber Harpocrates,
    ha! Sie empfehlen Gabi Christian Rätsch! Der steht seit einem Räucherkurs bei mir mit Sicherheit auf ihrer Lektürewunschliste. Ich glaube, wir haben Einiges im Bücherschrank gemeinsam und nicht nur da. Das freut mich sehr. Es gibt viele Wege zur Menschwerdung, der Erkenntnis und “des Schauens”. Hoch sind die Arbeitsberge am Tage momentan, aber ebenso tief die Denktäler, begleitet von einer Beobachtung des Himmels, der in diesem Jahr so viele spannende und uns nicht mehr erlebbare Momente bietet. Noch bin ich mir nicht sicher, ob manches davon der krassen Kreativitätszunahme von 0,8 Promille zugeschuldet werden kann, auch nicht, was aus solchen nächtlichen Denkprozessen entstehen mag, kann und wird, aber manchmal hat ein Nichtschlafenkönnen ja viel tiefen Sinn. Ich hoffe sehr, dass Sie sich nicht im Selbstversuch gänzlich aufgeopfert haben, sondern fröhlich mit Beifuß gegürtet am Sonnwendtag das Feuer durchschritten haben. Eisenkraut ist es gerade bei mir, damit auch untertags die Konzentration aufrecht bleibe. Ebenfalls mit geheimem Zeichengruß!

  5. Liebe C.,
    ich werde G. gelegentlich ein Exemplar eines Werkes von C.R. zukommen lassen, denn bisher, scheint es mir, hat sie es nicht im Bücherregal stehen.

    Aus einem eigenen Werk, mittlerweile vergriffen, möchte ich aus meiner revolutionären Vergangenheit hier als ZZ = zusammenhangloses Zitat einmal vorlegen:

    “Die staatliche und wirtschaftliche Macht bestreitet heute die Dauer des natürlichen Lebens eines Menschen. Die Auslieferung an politisch-ideologische Willkür, Krieg und Not sind Ausdruck der Macht von Menschen über Menschen.
    Der Mensch ist fähig, das Prinzip der Totalitarität an jeder Stelle einzusetzen, an der menschliches Zusammenleben stattfindet. Die verbreitete Hoffnung, daß die gemeinsame Erkenntnis über den Weg zu einer besseren Welt eine solche bessere Welt faktisch, wenn auch erst posthum, herbeiführt, ist Ausdruck einer, von den Mächtigen geführten, kollektiven Pazifizierung. Sie erfolgt nicht etwa materiell sondern als Jenseitsversprechen. Dienstbar sind: Staatskirche und Volksglaube; sie bieten vielfältige Ansätze der direkten politischen Steuerung der Massen auf dem Lande.
    Die Macht, die Herrschende ausüben, gründet sich auf ebensolche Massen, die durch ihre Gläubigkeit in eine Erkenntnisstarre gefallen sind.

    Die “Erkenntnis der Wahrheit” ist ein Paradoxon: Nie wird die Wahrheit sich als Absolutum erkennen lassen, denn sie ist vielgestaltig und mehrdimensional, also polyfaziell; umgekehrt wird die monokausal ausgerichtete Denkweise der meisten Menschen ihnen nicht ermöglichen, die vielen Gesichter überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn zu sehen und zu beschreiben. Somit bleibt als Wahrheit für den Menschen stets nur eine Wahrnehmung faßbar. Diese subjektive, durch Herkommen und Standort beeinflußte Reflexion der Wirklichkeit, ist der einzige Wahrheitsbegriff, über den der einfache Mensch verfügt.”

    Ihr H.C.

  6. Lieber Harpocrates,
    Sie ahnen ja gar nicht, in welchen leichten Schock Sie mich versetzten. Ich war die letzten Wochen intensiv mit einem anderen C.R. befasst und dachte im ersten Moment, dass Sie Gabi eines SEINER Werke zukommen lassen wollten. Bis mir eingefallen ist, dass wir es ja – noch sind die Rauhnächte nicht vorüber – über Christian Rätsch hatten. Ich bin mir sicher, dass sich Gabi riesig über ein Werk von diesem CR freuen wird.
    Ich habe einige Zeit nachgedacht über die Erkenntnis der Wahrheit und Ihre Haltung dazu. Ich denke, dass man Ihre Ausführungen auch sehr aktuell sehen kann, denn sie beinhalten Grundbetrachtungen über die Welt und den Menschen. Über die Jenseitsversprechen werde ich noch eine Weile nachdenken. Was ich heute sehe, ist der vieler nach einer Spiritualität, die das Jenseits nicht als einen Ort von Fegefeuer und anderen Verortungen mit schmerzlichen Konsequenzen oder eine Art Paradies mit geflügelten Mitbewohnern betrachtet, sondern eher auf dem Gedanken beruht, dass wir die Möglichkeit haben, das, was wir als Taten (und sei es auch nur gedanklich) in die Welt setzen, mit den Augen derjenigen zu betrachten oder mit ihrer Wahrnehmung wahrzunehmen, die wir damit wissentlich oder unwissentlich “getroffen” haben. Vielleicht ist das dann eine Form von Hölle, ich sehe es eher als Erkenntnisprozess an. Ja, sehr richtig Ihre Ansicht, dass die Denkweise der Menschen oft auf dem Wenn-dann-Prinzip beruht und quasi auf einem Zeitstrahl daherfährt. Was aber, wenn die Welt nicht drei/vierdimensional ist, sondern noch ganz andere Ebenen hat? Was, wenn die Art, wie wir als Menschen mit unseren begrenzten Fähigkeiten eben auch nur das wahrnehmen (können), was unsere Sinnesorgane hergeben, unser Bildungsstand uns ermöglicht, wenn diese Art ein winziger Ausschnitt aus einer endlosen Möglichkeitenmenge wäre? Wenn es feinstoffliche Wesenheiten gibt, die in ganz anderen Dimensionen zugleich mit uns hier leben, deren Weltsicht so vielschichtig ist, dass unser Verstand es (noch) nicht begreift, wir es erst lernen können/sollen/dürfen? Was, wenn die Welt sich gerade tiefgreifend verändert und unsere Dimensionen nach Erweiterung rufen? Uns ermöglicht wird, wahrzunehmen, was wir noch nicht sehen können und so eine ganz neue Erkenntnis aufscheinen kann? Und wir die Frage, was Wahrheit ist, nochmal anders definieren können als “es ist die Sicht, die ich von meinem Standpunkt X aus auf die Welt habe und aufgrund der Erkenntnisse für richtig halte, so, wie die Blinden im Gleichnis den Elefanten beschrieben haben. Mehr nicht”. Was ist wahr? Was ist gut? Was ist schön? Vom All aus betrachtet gibt es mich gar nicht. Existiere ich also oder ist es nur eine Frage der Vergrößerung/Verkleinerung/anderen Sicht? Bin ich nur ein Gedanke? Kann ich von außerhalb meines Gehirns denken? Vielleicht hätte ich gar nicht anfangen sollen, mich intensiv mit dem anderen CR zu befassen. Vielleicht ist es hilfreich, ein Brot zu backen. Manchmal sind es diese Basisdinge, die die Welt dann wieder auf ein erträgliches Maß zurechtrücken.
    In diesem Sinne die besten Wünsche zum neuen Jahr, es möge für Sie ein gesundes, frohes werden. Eines mit spannenden Sternguckmomenten. Mit Staunen und Wundern.
    Ihre CK, in die Küche enteilend und den Teig ansetzend (was eh extremst selten geschieht aufgrund von Zeitmangel für diesen elementaren Luxus)

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