Eine Frage – eine Antwort.
So fing alles an:
Gabi stellt eine Frage, Christine antwortet.
So geht es lange Zeit.
Irgendwann findet Gabi: Die Antworten könnten anderen Leuten doch auch was bringen, oder? Wenn du meinst.
So reift der Entschluss:Wir machen daraus ein 365-Tage-Projekt. Jeden Tag eine Frage oder These und eine Antwort.
Und jetzt schauen wir, was passiert. Wir halten es für durchaus möglich, dass viele Menschen Fragen und Antworten haben, oder?
Herzliche Einladung zum Mitmachen.
Ach so, wie es zum Namen kam: Gabis Mann hat ihn vorgeschlagen. Gabi war entsetzt, Christine begeistert. Gabi gewöhnt sich jetzt an den Namen und jetzt sind die wahnsinnigen Schwestern (die im richtigen Leben keine Schwestern, dafür aber Seelenverwandte sind) gespannt, was geschieht.
Mit und ohne Wahnsinn. Aber auf alle Fälle neugierig auf alle anderen wahnsinnigen oder nicht wahnsinnigen Schwestern und Brüdern im Geiste.
Also, ich hab ne Frage als Antwort: Warum issen das alles nur für “Schwestern”? Warum müssen die Brüder außen vor bleiben? Haben die keine Fragen und Antworten? So wie ich das hier sehe, sind sich die Schwestern ja ohnehin furchtbar einig und seelenverwandt.
Hach – und noch ne Frage: Warum soll das hier nach 365 Tagen vorbei sein? Dann sind wohl alle Lebensfragen geklärt oder wie?
Liebe Yvonne,
danke für die Fragen!
Die Antwort ist ganz einfach – es ist ein Projekt von zwei Frauen. Die “Brüder” sind von Anfang an genauso eingeladen wie die “Schwestern”. Und ob sich alle “Schwestern” so einig sind, halte ich noch für ein Gerücht. Nach erstmal einer guten Woche Laufzeit und genau elf Stunden “Öffentlichkeit” gehe ich auch mal davon aus, dass wir noch ne Menge Brüder im Lauf des Jahres kennen lernen werden :-))))
Es ist ein 365-Tage-Projekt wie alle dieser Art: Wir schauen, was in 365 Tagen ist. Und dann entscheiden wir, was wir weiter tun. Dass es dann vorbei ist, weiß niemand.
Nun – dann nochmal ausdrückliche Einladung an alle, mitzumachen. Egal, ob Schwester oder Bruder!
ZEIT – INSELN
Zeitinseln im Alltag – die brauche ich. Ich plane sie ein. Als ich jung war, gab’s kein Wochenende, nur den Sonntag, und der war Ruhetag. Man trug Sonntagskleider: eine weisse
Organza Schürze, blank gereinigte Schnürschuhe, oft mit eingestecktem Efeublatt. Die Eltern besuchten den Gottesdienst, die Kinder die Sonntagsschule. Grossmutter kam nach zwölf mit dem Mittagszug aus der Stadt. Man genoss Rindsbraten und Kartoffelstock. Die Erwachsenen tranken ein Glas Rotwein, wir Kinder Zuckerwasser mit klein wenig Wein gefärbt. Am Nachmittag ging man ein paar Schritte. Man spielte Halma. Vater las vor – eine Welt, die war.
Eine verlorene Zeit. Die Schwestern – Texte des letzten Februartages liessen mich nach ihr suchen. Marcel Proust lässt grüssen.
Jahrzehnte vergingen. Ich arbeitete für zwei, oft auch für drei, bis hin an den Rand der Erschöpfung. Eine Umkehr bewirkte die Begegnung mit der Rabbinerfamilie der jüdischen Gemeinde. Mein Einsatz für den freien Samstag ihrer Söhne führte zu einer innigen Freundschaft. (Bis in die Neunzigerjahre galt für unsere Volksschule die Sechstage Woche).
Immer wieder wurde ich am Freitagabend zum Schabbat Beginn geladen. Nach dem Gottesdienst in der Synagoge kehrten wir zu Fuss nach Hause. Alle Lampen waren angezündet. Auch die beiden Kerzen auf dem gedeckten Tisch brannten. Der Duft leckerer Speisen aus der traditionellen ostjüdischen Küche liess erahnen, womit man Genuss reich bald viel Zeit verbringen würde. Der Vater sprach den Aaronitischen Segen, die drei Jungen empfingen den Segen der Eltern, der Gast wurde gesegnet, der Wein, die beiden Brote, das Salz. Man trank einen ersten Schluck Wein aus dem alten Silberbecher, einem Familienerbstück mit wundersamer Geschichte. Der Vater segnete das Brot. Alle am Tisch Versammelten bekamen ein kleines Stück, streuten ein paar Körnchen Salz darauf, rochen daran, schauten auf und wünschten sich „Schabbat schalom“. Das Essen dauerte zwei bis drei Stunden. Man sprach, diskutierte, lachte, erzählte, befasste sich locker mit dem Thoraabschnitt der neuen Woche. Paradiesstunden für die Lehrerin, die kurz vor Mitternacht den Heimweg antrat. Am darauf folgenden Morgen würde sie unterrichten.
Die menschenfreundliche Gabe des Schabbat Gebots wurde für mich zur Lebenslehre. Arbeitssucht überfällt mich immer noch hie und da. „Ich bin aktiv, also bin ich.“ Vielleicht eine Erscheinung des noch jungen dritten Jahrtausends, ebenso wie die Freiheit der Kulturbegegnungen und des Austauschs, über Religionen und Konfessionen hinaus.
Am Freitagabend denke ich an die jüdischen Freunde. Inzwischen leben sie längst in Jerusalem. Mein Samstag ist ein Trubeltag. Den Sonntag aber gibt es wieder, ohne Kartoffelstock und Rindsbraten, wohl aber sonntäglich gekleidet und hie und da mit einem Glas Weisswein – den mag ich unterdessen lieber.
Eine schöne Erinnerung – danke dass wir sie teilen dürfen. Ich denke, ich sollte mehr Zeit inseln.
Herzensdank. Was für ein Geschenk, das zu lesen, als ich nach einem sehr langen Tag nach Hause kam. Wunder-bar.